Views of India III

Die Dichotomie von Schwein und Kuh: das Schwein als Allesfresser, die Kuh als Grasfresserin. Falsch. Das Bild von der Kuh als friedliches, ausschließlich grasfressendes Wesen ist nur halbrichtig. Friedlich sind Kühe, ja – mit Ausnahme einer für Tiere dieser Größe und Statur befremdlichen und lächerlichen Schreckhaftigkeit – aber ausschließlich grasfressend, nein. Kühe fressen alles, wenn man sie lässt. Völlig unbeeindruckt stehen sie heilig in Müllhaufen und wühlen und scharren durch die leeren und halbleeren Plastikverpackungen, wie riesige Ratten mit Hörnern, oder lassen gleich völlig ungeniert ihren ganzen Kopf komplett in einem Mülleimer mit breiigem wet waste verschwinden. Genau wie Ratten machen sie sich selbst in den größten Großstädten unsichtbar, passen sich auf ihre Weise ideal an das Stadtbild an, sodass es nach kürzester Zeit bereits nicht mehr überraschend ist, auf einer etwa vierspurigen und vollbefahrenen Straße einer nicht aus der Ruhe zu bringenden Kuh zu begegnen, vermutlich auf Nahrungssuche. Ihr Lieblingssnack ist Karton, mehr oder weniger reine Zellulose, wie gemacht für den aufs Wiederkäuen ausgelegten Magen. Das kann trotzdem unmöglich gesund sein für die, sagte ich mir gleich, als ich das erste Mal eine Kuh ganz genüsslich Karton kauen gesehen habe, fast meinen Augen nicht trauend. Wahrscheinlich nicht, wahrscheinlich sind das die Chips der Kühe, dachte ich, und fand es irgendwie ziemlich erfrischend, zu sehen wie andere Tiere ihren Gelüsten nachgehen und gelegentlich stark prozessierte Nahrung ihrer sogenannten natürlichen Nahrung vorziehen.

(Februar 2019)

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