[…]
Ich habe mein Leben immer, eigentlich so lange ich denken kann, für ein problematisches gehalten. Problematisch in dem Sinne, dass ich entweder Probleme habe, oder, wenn ich keine Probleme habe, ich mir Probleme schaffen, also Unproblematisches problematisieren muss. Dadurch bin ich eigentlich immer irgendwie unzufrieden. Wenn ich Probleme habe, bin ich unzufrieden. Wenn ich keine Probleme habe, schaffe ich mir Probleme und bin dann unzufrieden. Es fiel mir immer schon schwer, ein Leben ohne das Problematische zu führen. Ohne Problematisches fühle mich irgendwie geistig niemals vollkommen ausgelastet. Wenn ich nicht über Probleme nachdenken kann, habe ich das Gefühl, mein Kopf wäre im Leerlauf. Deshalb schuf ich mir welche, wenn ich eigentlich gar keine hatte – ein Kreislauf, Kreisgedanken, ein sinnloses Hamsterrad. Wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen, wie Camus so schön gesagt hat. Es spielt keine Rolle, ob ich immer und immer und immer wieder sinnlos einen Fels auf den Berg schleppen, oder immer und immer und immer wieder ein sinnloses Problem durch meinen Kopf kreisen lassen muss. Der Fels gehört Sisyphos, das Problematische gehört mir – entscheidend ist nur, dass der Fels das Leben des Sisyphos ausfüllt, wie das Problematische mein Leben ausfüllt. Problematisch daran ist aber, dass mein Leben eher durch das Problematische ausgefüllt wird, das Problematische mir die Kontrolle entreißt, was für mich blöd ist, weil mich dieses Verhalten eigentlich wesentlich unzufriedener macht, als ich mir Sisyphos vorstellen soll.
[…]
(Juli 2018)